Religiöser Pluralismus und Deutungsmacht in der Reformationszeit
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Zusätzliche Informationen
Bestellnr | 21110 |
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Autor | Ulrich Bubenheimer / Dieter Fauth |
Ausführung | 156 S., kart. |
ISBN | 978-3-923834-34-1 |
Erschienen | 2017 |
Verlag | Freie Akademie |
Inhalt:
Band 36 der Schriftenreihe der FREIEN AKADEMIE
Die Freie Akademie widmet den Band 36 ihrer Schriftenreihe dem Thema „Religiöser Pluralismus und Deutungsmacht in der Reformationszeit“. Damit wird ein Beitrag zum Luther-Jahr 2017 geboten.
Reformation bezeichnet im engeren Sinn eine kirchliche Erneuerungsbewegung zwischen 1517 und 1555 bzw. 1648, die zur Spaltung des westlichen Christentums in verschiedene Konfessionen (römisch-katholisch, lutherisch, reformiert) führte. Die Reformation wurde in Deutschland überwiegend von Martin Luther (1483–1546), in der Schweiz von Huldrych Zwingli (1484 – 1531) und Johannes Calvin (1509 – 1564) angestoßen. Ihr Beginn wird allgemein auf 1517 datiert, als Martin Luther am 31. Oktober des Jahres seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben soll, aber ihre Ursachen und Vorläufer reichen weiter zurück. Als Abschluss kann allgemein der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden von 1555 bzw. letztlich der Westfälische Frieden von 1648 betrachtet werden.
Die Reformation war einer der großen Wendepunkte in der Geschichte Europas und in der Geschichte des Christentums. /1/ Die Reformation revolutionierte nicht nur das geistliche Leben, sie setzte auch eine umfassende gesellschaftspolitische Entwicklung in Gang. Vorbereitet durch Luthers prinzipielle Trennung von Geistlichem und Weltlichem löste sich der Staat von der Bevormundung durch die Kirche, um nun seinerseits durch eine fürstenstaatliche Ausrichtung der Reformation die Kirche von sich abhängig zu machen. Doch auch dies stellte nur eine Übergangsphase in einer Entwicklung dar, die in vielen europäischen Ländern in die Trennung von Kirche und Staat mündete, die die Hugenotten und Täufer als verfolgte Minderheitskirchen schon seit ihrer Entstehung im 16. Jahrhundert praktizierten.
Die Reformbewegung spaltete sich aufgrund unterschiedlicher Lehren in verschiedene protestantische Kirchen. Die wichtigsten Konfessionen, die aus der Reformation hervorgingen, sind die Lutheraner und die Reformierten (darunter Calvinisten, Zwinglianer und Presbyterianer). Hinzu kommen die radikal-reformatorischen Täufer. In Ländern außerhalb Deutschlands verlief die Reformation zum Teil anders.
Es entwickelten sich im 16. Jahrhundert auch radikale Reformatoren, für die hier stellvertretend Thomas Müntzer (vor 1489 – 1525) /2/, einer der Gegenspieler Martin Luthers, genannt sei. Ihre zentralen Anliegen waren die radikale Reform der Kirche und im Falle Thomas Müntzers auch die biblisch begründete, revolutionäre Umwälzung der politischen und sozialen Verhältnisse. Hier lagen auch die Wurzeln des Deutschen Bauernkriegs 1524 bis 1526. Dabei kam es z.B. in Thüringen zur Gründung des „Ewigen Rates“, der die politischen und sozialen Forderungen der Bauern durchsetzen sollte.
Eine weitere Gruppe der radikalen Reformation war die der reformatorischen Antitrinitarier, für die Michael Servetus (1509/11 – 1553) steht. In Siebenbürgen besteht bis heute die aus der Reformation hervorgegangene Unitarische Kirche.
Sowohl die römisch-katholischen als auch die lutherischen und reformierten Obrigkeiten verfolgten einige radikale reformatorische Gruppen mit großer Härte – ohne Ansehen ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen und Lehren. In vielen Ländern mussten zum Beispiel die Täufer unter Zurücklassung ihrer Habe das Land verlassen, in anderen Fürstentümern wurden sie wegen ihrer Überzeugungen gefangen gesetzt und gefoltert und im Extremfall sogar als Ketzer verbrannt oder ertränkt.
Mit der Entstehung neuer religiöser Deutungskonzepte in der Reformationszeit und deren Institutionalisierung in Konfessionskirchen verschärfte sich die Spannung zwischen religiösen Einheitsansprüchen und zunehmender religiöser Pluralität. Reformatoren wie Luther oder Calvin beanspruchten Deutungsmacht über die Bibelauslegung und setzten sie der Deutungshoheit der hergebrachten kirchlichen Institutionen entgegen. Indem sich Landes- und Stadtobrigkeiten bestimmte Deutungskonzepte zu eigen machten, konnten sie den zuvor schon im Gang befindlichen Ausbau eines landesherrlichen Kirchenregiments nachhaltig steigern. Gleichzeitig wirkte diese Entwicklung als Impuls zur weiteren Pluralisierung inner- und außerhalb der Konfessionen und strahlte auch auf andere Bereiche wie die Entwicklung der Kunst, des Rechts und der Naturwissenschaften aus. Individuelle Religion differenzierte sich in ein öffentliches Bekenntnis und eine privat gelebte religiöse Praxis.
Die Beiträge dieses Buches bedenken die in der Reformationszeit aufbrechende Spannung zwischen den Bedürfnissen nach weltanschaulicher Einheit und nach Pluralität. Noch heute kommt diese Spannung z.B. einerseits in den Rufen nach „Minimalkonsens“ und „Wertegemeinschaft“ und andererseits in dem Bedürfnis nach Weltanschauungs- und Religionsfreiheit zum Ausdruck.
Mit diesem Buch möchten wir das Geschichts- und Demokratiebewusstsein fördern und das Verständnis für Toleranz und Freiheit stärken. Dabei haben wir – für unsere Gegenwart bedeutsame – Daseins- und Wertefragen interdisziplinär erörtert.
Wir konnten Prof. Dr. Ulrich Bubenheimer gemeinsam mit Dr. Dieter Fauth als Herausgeber des Buches gewinnen. Sie haben zugleich die wissenschaftliche Tagung der Freien Akademie im Mai 2016 zum gleichen Thema inhaltlich vorbereitet und geleitet. Das Buch beinhaltet die Beiträge und Ergebnisse dieser Tagung.
Ich bedanke mich bei den Autoren und vor allem bei den Herausgebern des Bandes für die wertvollen Beiträge.
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