Filz und Altar – Über Krieg und Religion, Politik und Kirchen

19,90 

Zusätzliche Informationen

Bestellnr

21096

Autor

Anton Grabner-Haider / Erich Satter

Ausführung

252 S., kart.

ISBN

978-3-943624-23-6

Erschienen

2016

Verlag

Angelika Lenz Verlag

Kategorie:

Inhalt:

Die Verflechtung von Religion und Politik fand im Christentum ihren Höhepunkt. In der christlichen Kultur waren Politik und Krieg immer von den Vertretern der Religion getragen, die geistige Aufrüstung kam aus dem Evangelium. Das Herrschaftschristentum brachte vielen Ländern Europas Macht und Reichtum, die Religion schien sich gelohnt zu haben. Ohne Zweifel hatte die „Verfilzung“ von Religion und Politik zum Aufbau einer einheitlichen Weltdeutung, Kultur und Zivilisation geführt, wenn auch häufig mit Waffengewalt.
Erst Freidenkern, Freimaurern, Freireligiösen und den Vordenkern der rationalen Aufklärung ist es auf mühsame und gefährliche Weise gelungen, dieses totalitäre System von Religion und Politik in kleinen Schritten aufzubrechen. Damit entstanden die Ansätze der demokratischen Politik, des Rechtsstaates mit dem gleichen Recht für alle und der allgemeinen Menschenrechte und Menschenpflichten.
Dieses Buch möchte neben der vergangenen und gegenwärtigen Verflechtung von Religion und Politik vor allem zeigen, dass heute auch ganz andere Verbindungen von religiösen und politischen Orientierungen möglich geworden sind.

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REZENSION

Der Religionsphilosoph Anton Grabner-Haider behandelt auf 137 Seiten in einem ersten und zweiten Teil des Buches die älteren und neueren Verflechtungen von Religion und Politik, wobei der Schwerpunkt seiner Ausführungen praktisch exklusiv den Vernetzungen, Verfilzungen und Verschmelzungen zwischen Kirchenchristentum und Staat gewidmet ist. Andere Religionen werden höchstens marginal gestreift.

So gipfeln denn auch die Gedankengänge dieses ersten und zweiten Buchtitels in dem Endresultat, dass “die Verflechtung von Religion und Politik im Christentum ihren Höhepunkt fand”, eine These, der man durchaus zustimmen kann. Aber man hätte sich doch ein paar Exkurse konkreterer Art über andere Weltreligionen in ihrem Verhältnis zur Politik gewünscht, vielleicht sogar einige fundierte Hinweise auf primitive Formen von Religionspolitik in Stammes-, Volks- und Kulturreligionen unterhalb der Schwelle der großen Weltreligionen.

Grabner-Haider gleitet flott und locker über die Vielfalt der einzelnen teils konfliktreichen, teils kompromisslerischen Epochen der Kirchenstaatsgeschichte von 2000 Jahren, so dass sich das Buch auch als eine erste, leichte und verständliche Einführung in die betreffende Thematik im Rahmen eines freieren Religions- bzw. Ethikunterrichts eignen würde. Leider hat der Autor ganz wesentliche Literatur zu dieser Thematik unberücksichtigt, ja völlig unerwähnt gelassen wie z.B. Karl Heinz Deschners vielbändige “Kriminalgeschichte des Christentums”.

In den Kapiteln über die letzten drei Päpste fehlt jeglicher Hinweis auf auch in den Medien als Standardwerke charakterisierte Bücher des Rezensenten wie “Der polnische Papst. Bilanz eines Pontifikats”, “Papst-Entzauberung” (über Ratzinger) und “Papst Franziskus. Eine kritische Biografie”. Vielleicht könnte eine weitere Auflage des Buches diese Lücken schließen.

Der dritte Buchteil unter dem Titel “Sicht der Kirchenfreien” (S. 145 – 230) hat den Kulturphilosophen und Ethiker Erich Satter zum Autor. Im Unterschied zu den mehr historisch vorgehenden Passagen des ersten und zweiten Teils beschäftigt sich Satter eingehend mit den Grundfragen und –bedingungen kirchenfreier Religiosität, liberalen Denkens, humanistischer Werte und einer autonomen, also nicht theonomen Ethik.

Diesem Teil des Buches gebührt vor allem das Verdienst, eine erste Ordnung in den Dschungel der zahlreichen in Deutschland vorhandenen freireligiösen, freigeistigen, freidenkerischen, humanistischen, pantheistischen, agnostischen und atheistischen Vereine und Verbände gebracht und alle diese Gruppierungen in der vorgegebenen Kürze auch weitgehend authentisch und adäquat charakterisiert zu haben.

Den vierten und letzten Teil des Buches hat Frau Susanne Berndt beigesteuert. Sie behandelt fundiert unter vornehmlich juristischen Gesichtspunkten Probleme der Selbstbestimmung, der Sterbehilfe und die Frage warum es überhaupt noch theologische Fakultäten an den Universitäten und unter kirchlichem Einfluss stehenden Religionsunterricht an den Schulen gibt.

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REZENSION

Wer nach dem Titel des Buches eine Kampfschrift erwartet, wird enttäuscht sein, wer dagegen Wissensvermittlung und Aufklärung auf hohem essayistischem Niveau schätzt, kommt auf seine Kosten. Zwei Philosophen beschreiben – humorvoll-salopp, zuweilen auch ironisch – die vielfältigen Verflechtungen von Religion und Kirche mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit dem Mittelalter bis heute und analysieren dazu auch gesellschaftliche, geistige und politische Reaktionen, die den Filz von Staat und Kirche sukzessive aufbrechen, bzw. aufzubrechen versuchen.

Der Kulturwissenschaftler und Philosoph Anton Grabner-Haider zeichnet für den ersten Teil des Buches verantwortlich; er erläutert die “Verfilzung” von Religion und Politik und die Entwicklung des Christentums zu einem geschlossenen, autoritären und repressiven Herrschaftssystem: Da ist von der Aufrüstung der Theologen für die beiden Weltkriege die Rede, vom Zusammenspiel zwischen Diktatoren und Prälaten, von Päpsten als Schauspielern, von Panzerkardinälen und kirchlichen Kettenhunden, von heiteren Kirchenschafen und von der auferstandenen Göttin Aphrodite.

In das kritische Blickfeld kommen die Religionskriege, die Verfolgungen der Ketzer, die Verbrennung der Hexen, der Aufbau der großen politischen Ideologien und die Bildung von “heiligen Allianzen” sowie der Kampf der Theologen gegen die rationale Aufklärung. Mit Gewalt wurde eine christliche Weltdeutung durchgesetzt und mit Worten aus dem Evangelium das Volk in Sonntagspredigten auf die Weltkriege – mit von beiden Seiten gesegneten Waffen – eingeschworen.

An zahlreichen Beispielen beschreibt der Autor totalitäre Denkformen der Vergangenheit, vor deren Hintergrund sich viele der heutigen Konfliktherde der Erde – unter etwas anderen Vorzeichen – gleich oder ähnlich lesen. Fundamentalisten und Traditionalisten ist Liberalismus, wie er durch die rationale Aufklärung von Freidenkern, Freimaurern, Freireligiösen erstritten wurde, ein Dorn im Auge, sie sind blind für Menschenrechtsverletzungen, Fremdenhass und Rassismus.

Der Philosoph Erich Satter widmet sich den Denkweisen und Lebensformen der Kirchenfreien, Konfessionsfreien und Skeptiker und beleuchtet deren rational begründete Ethik sowie Religionsfreiheit und Pluralismus: “In einer postmodernen Kultur müssen wir wohl mit einer Vielfalt an religiösen und religionslosen Überzeugungen leben. – Und das ist gut so” (S 225). Satter beschreibt liberales und humanistisches Denken und die Kraft kritischer Vernunft; er bemüht sich um genaue Begriffsdefinitionen und erläutert das historische Gewachsensein sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten konfessionsfreier Gruppierungen, wie Freidenker, Freireligiöse, moderne Humanisten etc.

Das Buch schließt mit einem lebensnahen Aufsatz der Wirtschaftsjournalistin Susanna Berndt zum Selbstbestimmungsrecht auf den eigenen Körper, zum Recht auf Sterbehilfe und zur Ablehnung alter patriarchaler (kirchlicher) Herrschaftsansprüche, die heute noch Themen wie Sexualität, Geburt und Sterben zu beherrschen versuchen.

Ein empfehlenswertes, sehr informatives Buch mit historischen Bezügen und aktuellen gesellschaftspolitischen Themen, das in fundamentalen Kreisen Kontroversen auslösen dürfte. Es zeigt auf, wie in einer unheiligen Allianz von Politik und Religion Menschenrechte mit Füßen getreten und Menschenpflichten nicht wahrgenommen wurden, es vermittelt gleichzeitig aber auch, wie innere Orientierung – säkular, oder liberal religiös – und ein gedeihliches Miteinander von Kirche und Staat aussehen können.

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