Verbotene Früchte – Ethik des Humanismus

18,40 

Zusätzliche Informationen

Bestellnr

20660

Autor

Paul Kurtz

Ausführung

380 S. , kart.

ISBN

978-3-9804597-8-5

Erschienen

1998

Verlag

Angelika Lenz Verlag

Kategorie:

Inhalt:

Auch und gerade ohne Religion ist es möglich, ein sinnvolles Leben zu führen und moralisch verantwortlich zu handeln. Die Geschichte hat gezeigt, dass der Glaube an einen Gott keine Garantie moralischer Tugenden ist. Wenn wir die Fesseln der theistischen Illusion zerreißen, können wir eine rationale Ethik entwickeln, die auf einer realistischen Bewertung der Natur und einem Bewusstsein moralischer Anständigkeit basiert, die allen Menschen zu eigen ist. Um uns im positiven Sinne weiterzuentwickeln, müssen wir von den „verbotenen Früchten” vom Baum der Erkenntnis essen und uns für Grundprinzipien der Vernunft einsetzen. Kurtz umreißt den allgemeinen moralischen Anstand, die überragenden Eigenschaften und die Verantwortlichkeiten, die uns helfen können, die traditionelle theistische Moral zu übertreffen und eine glaubwürdige humanistische Ethik zu erreichen. Er setzt sich dafür ein, dass, um dem Leben einen Sinn zu geben, alle Menschen eine Wertschätzung entwickeln müssen für ihre eigene Kreativität sowie für den Wert und die Würde jedes anderen Menschen, als Teil der Weltgemeinschaft.

Rezension:

Der Autor, emeritierter Professor für Philosophie der State University of New York in Buffalo, hat etwa fünfundzwanzig Bücher veröffentlicht. Davon ist bereits 1993 im gleiche Verlag der Titel „Leben ohne Religion – Eupraxophie“ erschienen. Sein wissenschaftliches Werk wird durch Gründung und Leitung des „Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal“ (CSICOP) ergänzt; dessen deutsche Gruppe ist die „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.“ Damit hat sich Paul Kurtz international als engagierter Wissenschaftler ausgewiesen, in besonderer Weise freigeistigem Denken verbunden.
Den Zweck dieses Buches sieht er darin, zu zeigen, „daß es eine objektive und positiv humanistische Grundlage für ethisches Verhalten geben kann“. (S. 17) Er stellt sich der Herausforderung, „ein echtes ethisches System ohne transzendenten Glauben zu schaffen“ (S. 17), einen Versuch zu unternehmen, die Hauptzüge der Ethik des Humanismus zu analysieren“. (S. 20)

Folgende Eindrücke seien besonders hervorgehoben:

– Moralische Normen sieht der Autor in ihrem durch historische Entwicklung bestimmten Wandel, letztlich als in der Natur der Gattung Mensch angelegt, in dem von ihm durchlaufenden Prozeß der Evolution ausgebildet. Er versteht das als eine „sozio-biologische Basis“ des menschenlichen Verhaltens (S. 86), eine Auffassung, die auch von namhaften Anthropologen vertreten wird (u.a. Richard Leakey, Roger Lewin: Der Ursprung des Menschen).

– Seine Argumentationslinien gehen u.a. von jenen Denkergebnissen aus, die in der klassischen griechischen und römischen Philosophie gewonnen und die während der nachfolgenden zwei Jahrtausende vertieft und bereichert wurden.

So hat in seinem Denken die Ursprünglichkeit der Welt in der unendlichen Vielfalt ihrer Erscheinungsformen die Priorität. Unsere Erde ist nur eine von ihnen. Auf ihr vollzog sich die Evolution der Gattung Mensch, bestimmt durch ie an ihre Sozialisation gebundenen und sich ausbildenden Fähigkeiten zu arbeiten, zu denken, zu sprechen und zu fühlen.

Seine Denk- und Darstellungsweise erscheint somit als im dialektisch und historisch materialistischen philosophischen Denken bestimmt.

– Sein auf diese Art begründetes Verständnis vom Menschen kann er somit in überzeugender Argumentationsweise mit seiner humanistischen Ethik verbinden.

Das aber bedeutet in letzter Konsequenz, dass jeder Mensch in großem Maße selbst für seine Bestimmung, für seinen Lebenssinn verantwortlich ist, dabei nicht nur ein Gefühl für den eigenen Wert, sondern auch für die Würde jedes anderen Menschen in der Weltgemeinschaft zu gewinnen hat. (S. 369)

“ Der Autor setzt sich zwangsläufig immer wieder mit religiös, vorwiegend christlich bestimmten Begründungen und Erklärungen für menschliches Verhalten auseinander. Deren Wertvorstellungen und Verhaltensnormen werden aus historischer wie auch aus philosophischer Sicht abgefragt, sorgsam allseitig untersucht, und es wird ihre Begrenztheit nachgewiesen, ohne ihre auf Menschlichkeit gerichtete Inhalte abzuwerten. Im wohltuenden Gegensatz zu manchen von deutschen Freigeistern getragenen vergleichbaren Auseinandersetzungen wird er in seiner Polemik jedoch nie abwertend, verletztend. Damit praktiziert er überzeugend die mit seiner, mit unserer Vorstellung von Humanismus verbundene Toleranz.

– Bemerkenswert ist, mit welcher Lebensnähe, mit welcher Verbundenheit zur Lebenspraxis von Menschen unserer Zeit er seine Vorstellungen humanistische begründeten Handelns ableitet, vorlegt und begründet. Für jene grundlegenden Normen, nach denen Menschen leben, weil sie die als die grundlegendsten für ihrer aller Leben zu verstehen gelernt haben, nennt er „gemeinsame moralische Anständigkeit“, sie stellt er im Kapitel 3 als „Der allgemeine moralische Anstand“ in Ausführlichkeit überzeugend vor. Dabei entwickelt er eine inhaltlich bestimmte Systematik, von der er meint, dass sie „von den meisten zivilisierten Gesellschaften angenommen“ wurde. Allerdings hänge ihre Umsetzung in die Praxis sowohl von den Individuellen als auch von den unterschiedlichen gesellschaftlichen Situationen ab. (S. 131)

– Der Autor versteht die gegenseitigen Verpflichtungen der Menschen, also das Verhältnis jedes Einzelnen zu jedem anderen Einzelnen wie auch zur Gesellschaft in ihrer Gesamtheit noch nicht als den Kern eines gültigen Sittenkodexes. Sie werden vor allem befolgt, weil ihre allgemein hilfreiche Rolle für das Zusammenleben der Menschen deutlich erkennbar ist.

Hingegen gewinnen auf der Grundlage so bestimmter Verhaltensweisen die vielfältigen, sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Möglichkeiten für die sehr unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedliche Wertigkeit, unterschiedlichen Wert. Und Werte sind nach seinem Verständnis „das Objekt oder Ziel jeglichen Interesses, Verlangens oder Bedürfnisses“ seitens der Menschen. Einige können überwiegend förderlich (S. 136) oder kostbarer sein als andere. (S. 141)

Der Autor erkennt allgemeine Güteanforderungen, nach denen Menschen mit humanistisch bestimmter Grundhaltung diese Werte ordnen und akzeptieren oder auch verwerfen können. Darin sieht er das eigentlich schöpferische Element ethischen Denkens und Handelns, sieht er die „Ethik der Exzellenz“, also die der „Erhabenheit“, der „Vortrefflichkeit“ und in dieser Begrifflichkeit ist das Kapitel 4 wohl zu verstehen.

Ausführlich wird dargestellt, wie eine solche Ethik in Bezug auf sich selbst wie auch auf andere Menschen gedacht und gelebt werden kann. Im folgenden Kapitel 5 stellt er die Verantwortlichkeiten dar, denen sich jeder Einzelne zu stellen hat, um anschließend alle Bereiche menschlichen Lebens zu bedenken und in seine Überlegungen einzubeziehen, von den Menschenrechten (Kapitel 7) bis hin zur Intimsphäre (Kapitel 8) um schließlich zu zeigen, wie und worin jeder in Einzelverantwortlichkeit seinem Leben Sinn zu verleihen vermag. „Der ‚höchste‘ Wert für den Humanisten ist die Überzeugung, dass das Leben in und aus sich selbst heraus als gut angesehen werden kann. „Jeder Augenblick hat eine Art Kostbarkeit und Reiz.“ (S. 349) „Der Sinn des Lebens ist, es als gut, schön und aufregend zu empfinden, nach eigenem Maßstab für uns selbst, unsere Lieben und andere empfindsame Wesen. Er wird in den Freuden an schöpferischen Tätigkeiten, Weisheit und Aufrichtigkeit gefunden. Man kann nicht mehr als das, und hoffentlich gibt man sich nicht mit weniger zufrieden.“ (S. 350)

Mit den hier nur angedeuteten Aussagen, Inhalten soll die Empfehlung begründet werden, dieses Buch zu lesen, es zu bedenken, mit anderen darüber zu sprechen, eigenes wie auch gemeinsames Handeln zu prüfen, zu neuen Einsichten zu gelangen. Dabei wird jeder Leser vermutlich andere, ihn besonders berührende Überlegungen, Gedanken finden, vermutlich wird auch das hilfreich, weil anregend sein.

Hier einige Kritikpunkte:

„Der Begriff Humanismus wird in der Literatur mehrdeutig genutzt, hier im Verständnis des Freiseins von jedweder transzendenten geistigen Bindung, der Erklärung des Menschseins aus sich selbst heraus. Dass auch religiöse Menschen durch ihre Glaubensaussagen zu einem humanistisch bestimmten Handeln, zu Menschlichkeit im besten Wortsinn veranlasst werden, wird ein wenig vernachlässigt.

– Die Worte Ethik und Moral sind griechischer bzw. lateinischer Herkunft. In der philosophischen Literatur scheint es keine Eindeutigkeit in der Nutzung dieser damit verbundenen Begriffsinhalte zu geben. Ethik wird oftmals als eine philosophische Disziplin verstanden, die untersucht und ausformuliert, was zu einer gegebenen Zeit an Moral, also an Verhaltensnormen entsteht, wirkt und sich verändert. Der Autor nutzt lieber das Wort Moral, moralisch als das Wort Ethik. Das führt mitunter zu Verständnisschwierigkeiten.

– Der Zugang zu den stets sehr ausführlichen Gedankenführungen des Autors wird gelegentlich durch die Nutzung von im deutschen Sprachgebrauch kaum bekannter Termini erschwert, teilweise muss es sich um eigene Wortschöpfungen handeln, z.B. „prima facie“, „Exzelsior: Die Ethik der Exzellenz“.

Eine Schlussbemerkung erscheint angesichts bedrohlicher Erscheinungen im Umgang von Menschen miteinander nötig: Die hier geführte geistige Auseinandersetzung ist unverzichtbar, ebenso unverzichtbar erscheint es, dass sich jeder Mensch unserer Zeit moralischen Prinzipien unterwirft, ob christlich oder humanistisch bestimmt.

Wolfgang Kaul (in: Kristall 2/1998)

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