Ethik für Atheisten

14,00 

Zusätzliche Informationen

Bestellnr

20923

Autor

Finngeir Hiorth

Ausführung

271 S., kart.

ISBN

978-3-933037-21-3

Erschienen

2001

Verlag

Angelika Lenz Verlag

Kategorie:

Inhalt:

Dieses Buch unterscheidet sich von anderen Ethikbüchern dadurch, dass es von einem explizit atheistischen Standpunkt aus geschrieben wurde. Die Betonung der Moralregeln, die in darin gefunden wird, ist eng mit einer langen Tradition ethischer Theorie verbunden, die auf den berühmten deutschen Philosophen Kant zurückgeführt werden kann. Wegen der Schlüsselrolle, die Kant in dieser Tradition spielt, wird sie oft einfach „Kantianismus“ genannt. Da aber Kant sehr stark die Bedeutung der Pflicht im moralischen Leben betont, wird die Tradition auch Deontologie (vom griechischen deon, Pflicht) genannt. Das erste Kapitel ist dem ethischen Atheismus und seiner Entwicklung gewidmet. Ethischer Atheismus kann als Atheismus, verbunden mit einem Moralstandpunkt, definiert werden. Der ethische Atheist verneint den Nihilismus, die Ansicht, dass es keine Werte gibt. Der ethische Atheist akzeptiert im Allgemeinen die moralischen Werte seiner Gesellschaft, aber er mag einige dieser Werte verwerfen, wenn sie einer kritischen Untersuchung nicht standhalten. Der ethische Atheist wird niemals alle Werte seiner Gesellschaft verwerfen. Insgesamt gesehen zielt das Buch darauf ab, elementare, aber auch grundlegende moralische Orientierung durch Betonung alterprobter Moralgesetze zu geben. Zusätzlich gibt es eine Einführung in die ethische Theorie.

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REZENSION:

Nach „Atheismus – genau betrachtet“ (1995) und „Humanismus – genau betrachtet“ (1996) erschien nunmehr als drittes Buch des norwegischen Wissenschaftlers Finngeir Hiorth in deutscher Sprache „Ethik für Atheisten“. Alle drei Veröffentlichungen sind wohl vor allem für die Glieder der Freigeistigen Bewegung gedacht. Sie sollen einen notwendigen Klärungsprozess unterstützen.
Der Autor hat beobachtet, dass sich offenbar viele Menschen unserer Zeit zum Humanismus bekennen. Zu ihnen gehören nicht wenige mit religiöser Weltsicht. Am sich gegenwärtig ausbreitenden Humanismus hingegen erscheint ihm vieles atheistisch begründet, beispielsweise ein Verständnis von Selbstbestimmtheit eines jeden Menschenlebens. Er möchte deshalb prüfen, unter welchen Bedingungen ein Humanist zugleich auch ein Atheist ist. Dazu möchte er folgenden Fragen nachgehen: „Gibt es ein spezifisch moralisches Lebens für Atheisten? Was bedeutet es, ein Atheist und moralisch zu sein? Was heißt das, moralisch zu sein?“ (Seite 6)
Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert. Zunächst wird „Ethischer Atheismus“ untersucht. Die Spannbreite reicht von Überlegungen zur vielfältigen Verwendung des Begriffs „Atheismus“ über den Atheismus der Antike zur französischen Aufklärung bis hin zu d’Holbach. Im zweiten Kapitel werden unter der Überschrift „Moralgesetze“ die des Christentums mit denen aus Buddhismus, Hinduismus und Islam verglichen. Das dritte Kapitel ist der „Chinesischen Weisheit“ gewidmet, während im vierten die „Tugendethik“ dargestellt wird, beginnend bei Platon und Sokrates bis hin zu David Hume. Ausgehend vom Denksystem Immanuel Kants wird im Kapitel fünf die „Deontologie“, zu verstehen als die Theorie der Pflicht erörtert, diese Überlegungen erfassen, als Präzisierung gedacht, den Intuitionismus, insbesondere den des 18. Jahrhunderts, bis in die Gegenwart reichend. Im sechsten Kapitel wendet sich der Autor in besonderer Ausführlichkeit dem „Utilitarismus“ zu, um dann im siebenten Kapitel „Zusätzliche philosophische Betrachtungen“ anzustellen. Hier werden insbesondere zeitgenössische philosophische Erkenntnisse zum Thema vorgestellt. Bereits im Vorwort kündigt er an, sich nach seiner Meinung besonders herausragenden Zeitgenossen widmen zu wollen, er nennt Richard Robinson, Kai Nielsen und, besonders betont, Paul Kurtz, der bekanntlich in der weltweit wirkenden „International Humanist and Ethical Union“ hochgeachtet wird.
Im angeschlossenen Literaturverzeichnis werden mehr als 280 Titel ausgewiesen, sie stellen dennoch nur einen Bruchteil der insgesamt erschienenen Publikationen zu Fragen der Ethik dar. Darunter werden mehr als 140 Handbücher, Einführungen und Anthologien benannt, etwa eine gleiche Anzahl themengebundener Veröffentlichungen sind als „Andere Literatur“ vorgestellt. Es finden sich unter anderen Arbeiten so namhafter Wissenschaftler wie Zygmunt Baumann oder der bereits erwähnte Paul Kurtz, der mit acht, oder Kai Nielsen, der mit drei Buchtiteln erscheint. So basiert diese Untersuchung des Norwegers Finngeir Hiorth auf solider wissenschaftlicher Basis. Allein wegen dieser Quellenlage ist dieses Buch wert, beachtet zu werden, obwohl zugleich auffällt, dass englischsprachige Literatur dominiert.
Auf dieser Grundlage gesammelten und geistig verarbeiteten Wissens sucht, prüft und vergleicht der Autor die Ergebnisse des auf ethische Fragen bezogenen Denkens. So findet er in den so genannten klassischen Weitreligionen Judaismus, Christentum, Buddhismus und Islam grundlegende und miteinander vergleichbare Aussagen zu Verhaltensnormen von Menschen dieser Kulturkreise (S. 67ff.) In den drei konfuzianischen Hauptgeboten meint er, Vergleichbares erkennen zu können, wenn auch die Weisheiten chinesischer Lehrer insgesamt damit keine Ähnlichkeiten zu haben scheinen (S. 116ff.). Einem Historiker drängt sich der Gedanke auf, in diesen überlieferten Forderungen eine Bestätigung der Auffassung erkennen zu können, dass Religionen sich während einer Phase der Entwicklung menschlichen Zusammenlebens als lebensnotwendige Verhaltensforderungen herausgebildet haben. Und so, wie die Menschen jener wahrscheinlich zigtausende Jahre zurückliegenden Zeiten in verschiedenen Bereichen der von ihnen bewohnten Erde, den dort herrschenden Lebensbedingungen gemäß sich unterscheidende Kulturkreise aufbauten, entwickelten sie die unterschiedlichen Religionen.
Die auf unsere Zeit überlieferten Verhaltensgebote haben gewiss vor ihren uns heute zugänglichen Formulierungen unendlich viele Wandlungen erfahren. Sie werden ja auch bis in die Gegenwart hinein stetig neuen Interpretationen unterworfen. Das wird an der unterschiedlichen Auslegung islamischer Lehren ebenso erkennbar wie an den Bemühungen christlicher Theologen an den Universitäten unseres Landes. Angesichts dieser hier nur anzudeutenden Vorgänge in Vergangenheit und Gegenwart erkennt der Autor die Zehn Gebote als vermutlich älteste Moralgebote, die überliefert sind. Sie können auf die Zeit zwischen dem 16. und dem 13. Jahrhundert v.u.Z. datiert werden. Juden wie auch Christen glauben, dass sie göttlichen Ursprungs sind und direkt ausgesprochen wurden. Aus atheistischer Sichtweise hingegen handelt es sich um das klassische Beispiel für mit der Entwicklung von Formen menschlichen Zusammenlebens ausgebildete Verhaltensnormen. Sie drücken die Pflichten von Individuen gegenüber den mit ihnen gemeinsam lebenden Individuen aus, die gegenüber der Gemeinschaft im Interesse ihres Fortbestandes unerlässlich sind. Der Autor sieht darin Basis-Moralgesetze, sie lassen sich zusammenfassen:

Füge anderen Menschen keinen Schaden zu.
Sei rücksichtsvoll gegenüber allen Mitlebewesen.
Diesen beiden Grundaussagen fügt er die sogenannte Goldene Regel in ihrer positiven wie auch in ihrer negativen Version hinzu:
Behandle andere Menschen so, wie du selbst behandelt werden möchtest. (positiv)
Behandle andere Menschen nicht so, wie du selbst nicht behandelt werden möchtest. (negativ) (S. 51ff.)
Auf diese drei Grundgebote moralischen Handelns kommt er immer wieder zurück.

In allen Argumentationen des Autors wird immer wieder erkennbar, wie in früher Zeit begonnenes Nachdenken über einen Sachverhalt von Denkern nachfolgender Generationen erneut aufgenommen, geprüft, verändert, präzisiert wurde, bis es dann in der Gegenwart zu Aussagen formuliert werden kann, die für uns Menschen des beginnenden 21. Jahrhunderts hilfreich für die Lebensgestaltung sein können. Dabei vergessen wir oft, dass mit dieser Feststellung eigentlich nur der gegenwärtig erreichte Kenntnisstand beschrieben wird. Zeitgleich verlaufen in der Gesellschaft insgesamt, insbesondere in Wissenschaft und Technik Entwicklungen, die bei Nachdenken anzeigen, dass auch unser philosophisches Denken insgesamt wie auch das Nachdenken über ethische Fragen damit neuen Herausforderungen unterworfen wird. Beispiele finden sich in der Art, in der gegenwärtig Globalisierung betrieben wird ebenso wie im Umgang mit Energieträgern atomarer Grundlage oder in jenen Konsequenzen, die sich aus der Entwicklung in der medizinischen Forschung ergeben. Hierbei geht es insbesondere um einen menschenwürdigen Umgang mit dem Leben, das ja stets mit dem Tod eines jeden Individuums endet. Das atheistisch begründete Verständnis vom Tod wird beispielsweise in der Darstellung griechischer Philosophie bedacht. (Seite 134 z.B.) Die Auseinandersetzung damit zieht sich eigentlich durch alle darauf folgenden Überlegungen, mehr oder weniger direkt ausgesprochen. Ein selbst- bestimmtes Leben führen zu können, erfordert nach diesen Aussagen mithin eine Hinwendung zum Atheismus, eine Abkehr von jeglichem Gottesglauben, der ja stets mit den Vorstellungen von einem Jüngsten Gericht verbunden wird. Darauf basierende Gefühle, Entscheidungen sind aber jene der Abhängigkeit von Gott, sie machen die Selbstbestimmtheit in Verbindung des Einzelnen mit der Gemeinschaft unmöglich. In dieser Weise beantwortet der Autor schließlich durchgängig die eingangs gestellten Fragen. Und wie dieses Selbstbestimmtsein in der Gegenwart aussehen kann, wird an den Aussagen der im Kapitel sieben vorgestellten Denker angedeutet.
Unter Bezugnahme auf den bereits eingangs erwähnten Philosophen Paul Kurtz stellte der Autor fest: „Das allgemeine Gebot der Anständigkeit ist so gut wie wir zusammen arbeiten, unterschiedliche Ansichten anderer tolerieren und verhandeln können. Die Prinzipien etablieren nur die Normen anständigen Verhaltens. Sie versprechen nicht, dass jedermann sie beachten wird. Dass sie nicht völlig im menschlichen Verhalten realisiert sind, ist nur zu offensichtlich. … Dies sollte nicht unsere Verpflichtung schwächen, ihre verbindliche Natur anzuerkennen, und zu versuchen, nach ihnen zu leben.“ (S. 243)
Das Buch ist nicht ganz leicht zu lesen. Das ist unter anderem in der Nutzung und Kombination solcher Begriffe wie Ethik, Moral, Tugend und Werte begründet. Hier wirkt manches verwirrend, macht weiteres Nachlesen nötig. Das ist gewiss auf den persönlichen Stil des Autors zurückzuführen, gewiss auch auf die in der Literatur sehr unterschiedliche Nutzung dieser Begriffe.
Der Übersetzer hat sich vermutlich sehr sorgsam an den vorgegebenen Text gehalten. Vielleicht wäre es für das Buch insgesamt besser gewesen, es mit der Übersetzung auch redaktionell ein wenig zu bearbeiten. Beispielsweise stören allein schon solche Sätze wie die folgenden auf Seite 136. Dort heißt es: „Obgleich Epikur als Hedonist am bekanntesten ist, war er ernsthaft an Glückseligkeit interessiert. Tatsächlich war er an Glückseligkeit genauso interessiert wie an Vergnügen.“ Schließlich sollte bei einer Nachauflage bedacht werden, ob die Zwischentitel der sieben Kapitel im Text besser gestaltet werden könnten.
Gegenwärtig haben alle den gleichen Schriftsatz, das ist irritierend. Schwer liest sich auch das Literaturverzeichnis. Hier wäre eine andere Anordnung hilfreich gewesen.
Insgesamt haben Finngeir Hiorth und der Angelika Lenz Verlag ein lesenswertes Buch herausgegeben. Es sollte in der Freigeistigen Bewegung zur Kenntnis und zur Grundlage weiterführender Diskussionen genommen werden.

Dr. Wolfgang Kaul

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